Lebendige Kolonialvergangenheit

Gerhard Kümmel

 

Der Klappentext des Buches von Reinhard Schneider machte neugierig, heißt es dort doch, dass der Band „in Erinnerung [ruft], dass auch schon vor 120 Jahren junge deutsche Soldaten und Polizeibeamte auszogen, um ‚innere Sicherheit‘ zu exportieren. Für Deutschland waren 30 Jahre Kolonialzeit volkswirtschaftlich kein Geschäft. Dennoch taten die deutschen Soldaten und Polizisten, die in die Kolonien gingen, ihren Dienst dort mit der gleichen Überzeugung, Sinnvolles und Gutes in fremden Ländern zu tun, wie die Bundeswehrsoldaten und BGS‐Beamten heute in Afghanistan, in Bosnien und in Afrika.“ Diese These wäre es zweifellos wert gewesen, vertiefend behandelt und diskutiert zu werden, doch wird man diesbezügliche Ausführungen zwischen den beiden Klappendeckeln vergeblich suchen. Auch eine Kontextualisierung der abgedruckten Pressemeldungen in das deutsche militärische Kolonialabenteuer unterbleibt bedauerlicherweise.

Wer nun aber versucht ist, ob dieser Kritik die Dokumentensammlung Schneiders in toto zu verwerfen, ist gut beraten, sich dieses noch einmal zu überlegen. Denn Reinhard Schneider lässt seine Pressemeldungen, die vorrangig aus der Deutschen Zeitung Berlin, aber auch aus anderen, vornehmlich Berliner, Zeitungen stammen, für sich sprechen. Und das tun diese ganz beredt! So erfährt man bei der Lektüre der Dokumente viel Neues und Interessantes, einmal über den Hottentottenkrieg in Deutsch‐Südwestafrika in den Jahren 1904 bis 1907 und zum anderen über den Maji‐Maji‐Aufstandin Deutsch‐Ostafrika in den Jahren 1905/06.

Manche dieser Pressemeldungen Dokumente sind sachlich‐bürokratisch‐kurz und stimmen doch nachdenklich. Ein Beispiel ist die Notiz „Deutsch‐Südwestafrika“ in der Deutschen Zeitung Berlin vom Januar 1906: „Nach Mitteilungen des Generalstabs (…) betragen die deutschen Verluste bis zum 26. Januar 1906 an Offizieren, Aerzten und Beamten 88 Tote, darunter 23 an Krankheiten Verstorbene und 73 Verwundete, an Mannschaften 1192 Tote, darunter 615 an Krankheiten Verstorbene und 646 Verwundete.“ (S. 107) Andere sind regelrechte Stimmungsberichte, die die gefährlichen Seiten des kolonialen Lebens deutlich werden lassen. Eindrückliches Beispiel hierfür ist der Brief einer deutschen Frau aus dem ostafrikanischen Kilwa vom 4. August 1905, abgedruckt in der Kölner Zeitung,in dem sie von ihren Ängsten, Sorgen und Nöten angesichts des Aufstandes im Gebiet der Matumbi berichtet. (S. 181f.) Hinzu kommt, dass die abgedruckten Pressemeldungen durch Fotos und Zeichnungen sehr schön illustriert werden. Reinhard Schneider hat somit eine Dokumentensammlungvorgelegt, die zwar auf Erläuterungen und Kontextualisierungen kompromisslos verzichtet, gleichwohl aber das Herz eines jeden Militärhistorikers ob des präsentierten Quellenmaterials höher schlagen lässt und auch von dem vielzitierten ‚Otto‐Normalverbraucher‘ mit großem Gewinn gelesen werden kann. (AMS Newletter 1/2012)

Oberst a.D. Jeschonnek im Hardhöhenkurier 5/2011 über unser Buch "Reinhard Schneider, Neueste Nachrichten aus unseren Kolonien in Afrika" geschrieben hat.

 

"Basierend auf einer Sammlung von Zeitungsberichten aus den deutschen Kolonien in den Jahren 1905 und 1906 erarbeitete der Autor eine Chronologie der Einsätze und des Dienstalltags der deutschen Schutztruppen und Polizeikräfte in Afrika. Er ruft in Erinnerung, dass vor mehr als hundert Jahren militärische Kräfte weit entfernt von der Heimat eingesetzt waren, um deutsche "Innere Sicherheit" zu exportieren.

Das Werk konzentriert sich auf die chronologische Berichterstattung des Hottentottenkrieges in Deutsch-Südwestafrika (1904-07) und des Maji-Maji-Aufstandes in Deutsch-Ostafrika 1905/06. Es werden Gefechtsberichte abgedruckt, Truppenstärken dargestellt, Kontingentwechsel beschrieben und an Gefallene erinnert. Die Originalberichterstattung wird durch Fotos, Zeichnungen und Karten ergänzt. Die Qualität der abgedruckten Berichte erlaubt einen tiefen Einblick in Absichten, Ereignisse und Erfahrungen. Insgesamt ein liebevoll zusammengestelltes Werk über einen brutal geführten Kolonialkrieg der Deutschen in Südwest- und Ostafrika. Es stellt eine wertvolle Ergänzung der in den letzten Jahren entstandenen Literatur über die ehemaligen deutschen Kolonien und ihre Geschichte dar.