So war’s, damals

Als Wehrbauer im Elbtunnel

In Hamburg, wo der Pionieroffizier Klaus Grot bis 1991 das letzte Jahrzehnt seiner Dienstzeit verbrachte, waren - bis auf eine - alle Brücken zur Sprengung vorbereitet, der neue Elbtunnel sollte durch Betonhindernisse unpassierbar gemacht werden, um das Vorrücken eines potentiellen Gegners aufzuhalten.

08.12.2014, von HANS EHLERT

 

 

Schriftliche Zeugnisse aus dem Innenleben der frühen Bundeswehr finden sich selten. In diese Lücke stößt jetzt Klaus Grot mit der „Dienstchronik eines Pionieroffiziers im Kalten Krieg“. Der Autor, Jahrgang 1934, trat 1954 zunächst in den Bundesgrenzschutz (BGS) ein und wurde 1956 in die Pioniertruppe der Bundeswehr übernommen. Seine Karriere verlief wenig spektakulär. Auf die Offizierausbildung folgten einige Truppenkommandos, zuletzt als Kompaniechef. Von 1965 an wurde er bis zu seiner Pensionierung 1991 auf verschiedenen Führungsebenen in Stäben verwendet. Mit dem Dienstgrad Oberstleutnant erfüllte er eine durchschnittliche Laufbahnerwartung ohne große Höhepunkte.

Beginnend mit dem Eintritt beim BGS, behandelt die Chronik die Stationen der Laufbahn. Neben wichtigen Informationen zur militärischen Lagebeurteilung im Kalten Krieg enthält der Bericht auch eine Fülle von Informationen aus dem Truppenalltag. Dazu gehören Probleme beim Aufbau von Standorten und Kasernen, die hohes Improvisationstalent erforderten. Auch das heterogen zusammengesetzte Personal von Soldaten mit Reichswehr-, Wehrmachts-, Kriegs- und BGS-Erfahrung sowie Ungedienten führte häufig zu Friktionen. In den Berichten wird die phasenweise konservative Unternehmenskultur der Bundeswehr deutlich. Ein Kommandeur stellte den Autor wegen seiner Konfessionslosigkeit zur Rede, ein anderer versuchte, den „Häuslebauern“ unter seinen Untergebenen mit dem Argument entgegenzuwirken, „er wünsche keine Wehrbauern“.

In einem Exkurs schildert Grot sein parteipolitisches Engagement im Sicherheitspolitischen Arbeitskreis der Bremer SPD. Die dort damals strittig behandelten Fragen zur Tradition der Bundeswehr oder zu Kasernennamen sind offenkundig langlebig und scheinen auch in den aktuellen Diskussionen immer wieder auf. Aufschlussreich sind die Informationen zum Thema „Sperren und Lähmungen“, das im Zentrum der militärischen Aufgaben Grots stand. Wer weiß heute schon, dass in der Bundesrepublik eine Fülle von Brücken und Straßen zur Sprengung vorbereitet war, um das Vorrücken eines potentiellen Gegners aufzuhalten. In Hamburg, wo Grot das letzte Jahrzehnt seiner Dienstzeit verbrachte, waren - bis auf eine - alle Brücken entsprechend vorbereitet, der neue Elbtunnel sollte durch Betonhindernisse unpassierbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang erwähnt Grot auch Überlegungen, ganze Geländeabschnitte durch Atomminen (ADM) - aus amerikanischen Beständen - zu sperren, und hebt die Sorglosigkeit der Militärs bei der Behandlung dieser Frage hervor: „Der Gedanke, dass mit den ADM große Verstrahlungen und Verwüstungen angerichtet werden könnten, kam nicht auf.“

Mit seiner sehr speziellen Materie richtet sich Grot sicher nicht an eine breite Leserschaft. Leider erliegt er auch immer wieder der Versuchung, eigene Leistungen hervorzuheben. Überdies lädt der hölzerne Stil des mit zahlreichen Fotos und wenig aussagekräftigen Faksimiles von Vorträgen, Beurteilungen und Urkunden aus der Handakte des Autors angereicherten Bandes nicht gerade zur Lektüre ein. Die zahlreich verwendeten Abkürzungen dürften darüber hinaus unkundigen Lesern das Verständnis erschweren. Trotz dieser Einschränkungen liefert das Buch aus einer Perspektive des Alltags in einer Truppengattung neue Einblicke in die Geschichte der Bundeswehr und leistet einen Beitrag zu einer „Militärgeschichte von unten“.

Klaus Grot: So war’s, damals. Dienstchronik eines Pionieroffiziers im Kalten Krieg 1954-1991. Miles Verlag, Berlin 2014. 283 S., 22,80 €.

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/so-war-s-damals-als-wehrbauer-im-elbtunnel-13309683.html