Militärische Führung

Alles hört auf mein Kommando!

Oberstleutnant Christian von Blumröder kommandierte in Afghanistan ein Ausbildungs- und Schutzbataillon im Raum Kundus. Er erinnert eindringlich daran, dass Führung auch nach dem Einsatzende noch keineswegs beendet ist.

26.05.2015, von REINER POMMERIN

© DPA

Ein Bundeswehrsoldat beim Appell am 18. April 2013 in Hagenow

Die Herausgeber des Sammelbandes sind aktive Offiziere. Sie machen schon mit dem Fragezeichen im Buchtitel deutlich, dass die Bundeswehr für sie keineswegs ein Unternehmen wie jedes andere ist. Die Autoren und Autorinnen der zwölf Beiträge, die ebenfalls überwiegend aus der Bundeswehr kommen, eruieren, wie eine effiziente und zeitgemäße Führung in den Streitkräften aussehen könnte. In ihre Überlegungen beziehen sie Führungstheorien und Führungspraktiken der Wirtschaft ein.

Angelika Dörfler-Dierken vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften weist darauf hin, dass Führung in der Bundeswehr im „Referenzrahmen des Krieges“ stattfindet. Dennoch dürfe daraus keine Sonderrolle für soldatisches Führen abgeleitet werden, sondern müsse vielmehr eine klug abgewogene „Innere Führung“ resultieren. Verantwortung für einen solchen Führungsstil trügen in erster Linie die zivilen und militärischen Führungskräfte der Bundeswehr. Tatsächlich sind es die höheren Dienstgrade, einschließlich der politischen Führung des Ministeriums, die sowohl für zivile Mitarbeiter als auch für Soldaten Vorbildcharakter haben. Aus den mit diesen Vorbildern im Alltag gemachten Erfahrungen entwickelt sich das für erfolgreiches Führen unverzichtbare Vertrauen. „Führen durch Vorbild“ spielt, wie Thomas Haupt belegt, beim Erlernen von Führung und beim Führungsprozess selbst eine wesentliche Rolle. Beispielsweise ist die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Dienst und Familie, wie Martin Rost, Rafaela Kraus und René Schulz feststellen, eine eindeutige Führungsaufgabe. Die Forderung danach führt sich allerdings ad absurdum und degeneriert zur bloßen Phrase, wenn sie nicht auch von den Führenden im Kreis ihrer engeren Mitarbeiter, also im direkten Arbeitsumfeld, eine täglich erfahrbare Umsetzung in die Realität erfährt.

Hauptmann Arjan Kozica zeigt, wie wichtig für alle Führenden - von der selbstverständlichen Sachkenntnis der Spezifika des Soldatenberufs einmal ganz abgesehen - die Fähigkeit zu emotional intelligenter Führung ist. Beispiele für negative, „dissonante Führung“ enthalte jeder Jahresbericht der Wehrbeauftragten. Offensichtlich verfügten Streitkräfte über ein gewachsenes, spezifisches „Klima“, welches - gerade auch von Seiteneinsteigern - ein besonderes Einfühlungsvermögen sowie Emotionalität fordere, um bei Untergebenen Begeisterung, Gemeinschaftsgefühl und Motivation hervorzurufen und zu verstärken. Nur auf diese Weise ließe sich das in der Konzeption der „Inneren Führung“ angelegte partnerschaftliche und teamorientierte Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen erreichen. Hingegen würde der instrumentelle Einsatz von negativen Emotionen wie Angst und Furcht, die jedem Angehörigen der Bundeswehr zustehende Achtung der personalen Würde verletzen.

Oberst Hannes Wendroth hebt in seinem Beitrag den besonderen Wert, aber auch die notwendigen Voraussetzungen eines „Führens mit Auftrag“ hervor. Neben der Bereitstellung der für die Auftragserfüllung notwendigen Kräfte, also Personal, Material und Waffen, sei vor allem die klare Formulierung des zu erreichenden Ziels von Bedeutung. Mit allgemein gehaltenen Zielvorgaben und geringem Zutrauen in die Fähigkeit des Auftragsempfängers könne der „Auftragstaktik“ jedoch kein Erfolg beschieden sein.

Oberstleutnant Christian von Blumröder kommandierte in Afghanistan ein Ausbildungs- und Schutzbataillon und berichtet jetzt von seinen Führungserfahrungen im Raum Kundus. Er erinnert eindringlich daran, dass Führung auch nach dem Einsatzende noch keineswegs beendet ist. Verwundete junge Soldaten, plötzlich vom hochleistungsfähigen, körperbewussten Kämpfer zu Behinderten geworden, bedurften der Anerkennung und weiteren Fürsorge in besonderem Maße. Zudem gelte es eine Brücke zu den Eltern von gefallenen Soldaten zu bauen und den Kontakt mit ihnen zu halten. Sein Beitrag unterstreicht, dass über Führungsverhalten trefflich theoretisiert werden kann, die Praxis allerdings vielfältiger und herausfordernder als alle Theorie bleiben wird.

Arjan Kozica/Kai Prüter/Hannes Wendroth (Herausgeber): Unternehmen Bundeswehr? Theorie und Praxis militärischer Führung. Miles-Verlag, Berlin 2014. 314 S., 24,80 €.

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/unternehmen-bundeswehr-ueber-die-militaerische-fuehrung-13599070.html